Sarah Tkotsch (32) ist den meisten Deutschen aus ihren zahlreichen Rollen im deutschen Fernsehen bekannt. Seit 20 Jahren ist die Schauspielerin aus Berlin in Fernsehklassikern wie Gute Zeiten, Schlechte Zeiten (GZSZ), Tatort, Polizeiruf 110 und In aller Freundschaft zu sehen. Dass sie auch eine besondere Beziehung zu Argentinien hat, verriet Sarah im Gespräch mit der Stiftung Verbundenheit in Berlin. Das Interview ist auch im Argentinischen Tageblatt erschienen.
Schauspielerin und Synchronsprecherin Sarah Tkotsch.
Was verbindest du außer Steaks und Tango mit Argentinien?
Letztes Jahr habe ich für die argentinische Netflix-Serie und Telenovela „Go Vive tu manera“ eine der Hauptrollen („Lupe“) auf Deutsch synchronisiert. In der Serie geht es um Jugendliche, die an einer Elite-Tanz-und Gesangsschule ihren Traum einer Star-Karriere verfolgen. Im Grunde handelt die Geschichte aber von klassischen Teenager Problemen wie Liebe, Mobbing und Rivalitäten. Das war mein erster Kontakt mit Argentinien. Steaks und Tango habe ich übrigens kein einziges Mal in der Serie gesehen (lacht).
Sind dir in Bezug auf die Serie besondere Dinge aufgefallen?
Was mich tatsächlich überrascht hat, war der Produktionsstil. Ich finde es ganz spannend, dass argentinische Telenovelas von der Emotionen und der Dramatik her sehr energievoll gespielt werden. Das wäre in Deutschland undenkbar. Die Bilder sind extrem farbenintensiv, teilweise quietschebunt, und die Schauspieler sind alle extrem stark geschminkt. In Deutschland wird hingegen alles ein wenig natürlicher gestaltet. Aber vielleicht fänden Argentinier die deutschen Produktionen wiederum eher langweilig (lacht).
Spiegeln sich da vielleicht auch vermeintliche Mentalitätsunterschiede wieder? „Der“ Deutsche ist introvertierter, „der“ Argentinier extravagant?
Das könnte schon sein. In meiner Drehzeit bei der deutschen Soap GZSZ wurde immer darauf geachtet, die Geschichten eher realitätsnah zu erzählen. Gerade was das äußere Erscheinungsbild und die Intensität der Rollen betrifft ist „Go vive tu manera“ schon sehr anders. Es scheint aber auf dem deutschen Markt gut anzukommen. Sonst hätte Netflix nicht zwei Staffeln eingekauft.
Du setzt dich seit langer Zeit schon für soziale Zwecke ein und hast sogar ein Ratgeber-Buch für junge Mädchen in der Pubertät geschrieben. Was bedeutet für dich soziales Engagement?
Der Grund für das Buch war, dass ich gerade bei GZSZ viel Fanpost von jungen Mädels bekommen habe, die mir von ihren Sorgen und Nöten schrieben. Der Gedanke einen Ratgeber über Selbstfindung in der Pubertät zu schreiben und damit diesen Mädchen meine Hilfe anzubieten, hat mir total viel gegeben. Soziales Engagement ist sehr bereichernd. Und es eröffnet gerade jungen Menschen ganz viele Möglichkeiten. Ich habe über meine ehrenamtlichen Tätigkeiten viele tolle Persönlichkeiten kennengelernt und nachhaltige Erfahrungen gemacht. Ich kann das jedem empfehlen.
Seit 2019 existiert in Argentinien ein sehr aktives Netzwerk an jungen Menschen (#JungesNetzwerk), das sich ehrenamtlichen für den Kulturaustausch zwischen Deutschland und Argentinien einsetzt…
… ich habe von #JungesNetzwerk über Freunde gehört und finde die Initiative klasse. Aus meiner Erfahrung in der Filmbranche weiß ich, dass Kultur ein ganz starkes, verbindendes Medium sein kann – auch für die Völkerverständigung. Dass sich im Rahmen der Initiative junge Argentinier mit einem Deutschlandbezug in den unterschiedlichsten Bereichen engagieren, ist super. Ich kenne im Übrigen das Gefühl aus biografischen Gründen eine besondere Beziehung zu einem anderen Land zu haben.
Erzähl uns mehr darüber.
Meine Großeltern sind aus Polen und Tschechien nach Deutschland umgesiedelt. Daher kommt auch mein slawischer Familienname. Ehrlicherweise muss ich aber sagen, dass ich außer der deftigen böhmischen Küche und den Kriegsgeschichten meiner Oma wenig direkt mit Tschechien verbinde.
Sarah Tkotsch mit dem Projektleiter der Stiftung Verbundenheit, Dr. Marco Just Quiles, in Berlin.
Ein Verbundenheitsgefühl geht über die Zeit verloren, wenn man es nicht mit neuen Inhalten füllt?
Ich denke schon. Ich fühle mich beispielsweise vielmehr als Ostdeutsche, weil die Erinnerungen an die DDR in meiner Familie einfach noch viel präsenter sind. Ich bin 1988 geboren, da stand die Mauer ja noch. Ich bin also in erster Linie „Ossi“ (lacht). Es ist einfacher sich mit etwas zu identifizieren, was man mit seiner eigenen Lebensrealität verbinden kann.
Und was verbindest du mit dem heutigen Deutschland? Das erste was dir einfällt…
Oh Gott, mir ist leider gerade was Negatives eingefallen (lacht) …dass alles was mit Behörden und Ämtern zu tun hat, der Horror ist. Vieles wird bürokratisch so kompliziert gemacht, da geht manchmal auch viel Menschlichkeit verloren. Aber es gibt natürlich viele positive Dinge. Gerade weil wir eben darüber gesprochen haben: ich finde es unglaublich faszinierend, wie viel Menschen sich in Deutschland ehrenamtlich engagieren. Und auch die Weltoffenheit und die kulturelle Vielfalt, gerade in einer Stadt wie Berlin, finde ich ganz toll. Dies zeigt sich übrigens auch in der Filmbranche. Filmerfolge wie Gegen die Wand oder Abgebrannt zeigen: wir Deutschen sind eine multikulturelle Gesellschaft und das ist auch gut so.
Sarah, unsere letzte Frage an dich: wann steht für dich die erste Argentinien-Reise an?
Hoffentlich sehr bald. Grundsätzlich reise ich total gerne. Es wäre natürlich sehr spannend im Rahmen meines Berufes eine Möglichkeit zu bekommen, meine ersten Kontakte mit der argentinischen Kultur auszubauen. Vielleicht ergeben sich ja durch die eben angesprochene Kulturinitiative neuen Möglichkeiten. Eins steht auf jeden Fall fest: Ich liebe gute Steaks, und alleine dafür würde sich eine Reise nach Argentinien schon lohnen (lacht).
Liebe Sarah, wir danken dir für das Interview.
Das Gespräch führte Dr. Marco Just Quiles. Die Stiftung Verbundenheit publiziert im Rahmen ihres Argentinien-Projektes verschiedene Texte und Interviews. Dies ist das erste Interview einer dreiteiligen Reihe zum Thema „Kulturelle Beziehungen zwischen Deutschland und Argentinien“.