Ruth Maria Candussi ist neues Mitglied im Stiftungsrat der Stiftung Verbundenheit. Als Teil der Deutschen Minderheit in Dänemark und mit der Perspektive als Politikmanagerin, Journalistin und Frau durften wir einige für Minderheiten und für unsere Arbeit aktuelle und wichtige Themen mit Ruth Maria Candussi besprechen und freuen uns, Ihnen Sie und ihre Arbeit näherbringen zu dürfen. Wir sind #verbunden_mit Ruth Maria Candussi.
Frau Candussi, Sie sind nun seit Ende Januar neues Mitglied im Stiftungsrat der Stiftung Verbundenheit und folgen dort Herrn Peter Iver Johannsen nach. Sie waren bei der Klausurtagung der Gremien in Bayreuth mit dabei. Wie sind Ihre ersten Eindrücke? Was haben Sie mitgenommen? Was hat Sie erstaunt oder bewegt, was die Stiftungsarbeit anbelangt?
Ich bin beeindruckt von der Organisation und dem hohen Ambitionsniveau aller, sich für die Ziele der Stiftung Verbundenheit einsetzen zu wollen. Ebenso finde ich das Engagement im Mitarbeiter-Team toll und das große Minderheiten-Netzwerk, das der Stiftungsarbeit zugrunde liegt.
Neben den deutschen Minderheiten in Mittel- und Osteuropa, für die die Stiftung Verbundenheit als Mittlerorganisation auftritt und arbeitet, gibt es auch z.B. unter anderen die deutschsprachige Volksgruppe in Südtirol, die deutsche Gemeinschaft in Ostbelgien oder die Deutsche Minderheit in Dänemark. Wie schätzen Sie für die Stiftung Verbundenheit das Potential ein, Partnerschaften und Kooperationen mit diesen drei Gruppen einzugehen?
Ich denke, das Potenzial ist in jedem Falle vorhanden. Ich kann natürlich vor allem für die Deutsche Minderheit in Nordschleswig sprechen, die sehr gerne mit der Stiftung Verbundenheit zusammenarbeiten möchte. Von einer Zusammenarbeit werden beide Seiten profitieren.
Der Bund Deutscher Nordschleswiger ist nicht nur eine sozial-kulturelle Vertretung der Deutschen Minderheit, sondern über die schon angesprochene Schleswigsche Partei auch direkt in die dänische Politik eingebunden. Inwieweit führt dies zu einer veränderten Arbeit Ihrerseits in Dänemark im Gegensatz zu den Minderheitenverbänden, die sich nur auf den vorpolitischen Raum beschränken?
Die Schleswigsche Partei ist politisch auf kommunaler Ebene aktiv, während die Interessen der Minderheit auf nationaler Ebene durch den Bund deutscher Nordschleswiger wahrgenommen werden, insbesondere durch das Deutsche Sekretariat in Kopenhagen. Auf nationaler Ebene funktioniert die Interessenvertretung durch den BDN gut. Auf kommunaler Ebene aber ist die Präsenz einer politischen Vertreung in den lokalen Parlamenten unabdingbar. In Dänemark sind die Kommunen ganz anders als in Deutschland sehr große Verwaltungseinheiten und haben innerhalb der abgesteckten Rahmen die Verantwortung für alle bürgernahen Bereiche – das Kindergarten- und Schulwesen, Energieversorgung, Pflege, Senioren, Gesundheit, Wirtschaftsförderung, öffentlicher Transport etc. Hier ist es wichtig, dass wir Politiker haben, die sich für die Gleichstellung der deutschen Kindergärten und Schulen stark machen, Bauvorhaben deutscher Einrichtungen begleiten, unsere Angebote in die der Kommunen aufgenommen werden, Senioren der Deutschen Minderheit im Pflegeheim deutsch sprechen können etc. Es kann vielleicht Situationen geben, wo es für eine Minderheit von Vorteil ist, sich auf eine sozial-kulturelle Vertretung zu konzentrieren. Grundsätzlich aber bin ich der Meinung, dass eine Minderheit einen eigenen politischen Arm haben sollte.
Sie sind Sekretärin der Schleswigschen Partei. Dies ist eine wichtige Position und Sie managen dort konkret politische Ausrichtung der Minderheit. „Frauen sind die Minderheit in der Minderheit“ so hieß es einmal im Nordschleswiger, der Zeitung der Deutschen Minderheit in Dänemark, wenn es um die Besetzung der Vorstandsämter und die leitenden Positionen innerhalb der Minderheit geht. Wie sehen sie die derzeitige Situation bei sich vor Ort und bei anderen dt. Minderheiten? Sehen Sie Veränderungen in den letzten Jahren?
Von unseren zehn Stadtratsvertretern sind vier Frauen und sechs Männer. Es hat in den letzten Jahrzehnten eine Entwicklung stattgefunden, so dass die SP nun auch durch mehr Frauen in den Stadträten vertreten ist. Bei unseren vier Kommunalvorständen und in unserem überregionalen Vorstand haben wir durchgehend männliche Vorsitzende, unterscheiden uns darin aber nicht von anderen dänischen Parteien, wo das Bild ähnlich aussieht. In den vier Stadträten in Nordschleswig liegt der durchschnittliche Anteil der Frauen bei etwas unter 30%.
Frauen für Politik zu begeistern ist ein Thema, mit dem wir uns laufend befassen und es müssen Änderungen auf vielen Ebenen stattfinden. Änderungen im Bewusstsein, in der Sprache, in den Strukturen. Dies gilt in der Politik, aber auch in der Gesellschaft generell. Und dies gilt auch innerhalb einer Minderheit. Eine Minderheit muss der Entwicklung in der Gesellschaft Rechnung tragen, muss grundlegende Tendenzen aufgreifen und sich dazu verhalten, vielleicht auch mal vorangehen. Ich bin der Meinung, dass sich gerade eine Minderheit Themen wie Gleichstellung, Partizipation und Chancengleichheit aktiv auf die Fahne schreiben sollte!
Sie kommen beruflich aus dem Bereich des Journalismus und haben lange für den „Nordschleswiger“ gearbeitet. Wie sehen Sie das Bild und die Darstellung der deutschen Minderheiten in der deutschen Presselandschaft? Wie könnte man das Wissen über die Existenz der deutschen Minderheiten der breiten Öffentlichkeit in Deutschland verbessern?
Im Großen und Ganzen wird die Deutsche Minderheit in Nordschleswig in der deutschen Presse positiv dargestellt, wobei aber auch immer wieder deutlich wird, dass so ganz verstanden, was eine nationale Minderheit ist, haben die Journalisten nicht. Entweder wird es dargestellt, als seien wir Deutsche, die zufällig in Dänemark leben, oder als etwas „Exotisches“, wo das Skandinavische in den Vordergrund gerückt wird. Im „schlimmsten“ Fall sind wir Dänen, die zufällig deutsch sprechen können. Egal was, so trifft die Darstellung immer ein bisschen daneben. Richtig vorwerfen, kann man es der deutschen Presse aber auch nicht, denn nationale Minderheiten sind eine komplizierte Sache. Allerdings finde ich, fehlt das ganz grundlegende Bewusstsein und Wissen um die eigene deutsche Geschichte, bzw. eine erweiterte Perspektive. Dann würden auch mehr Menschen das Thema deutsche Minderheiten verstehen und nationale Minderheiten generell – immerhin gehört jeder siebte Europäer einer autochthonen Minderheit an oder spricht eine Regional- oder Minderheitensprache.
Mit diesem Aufruf, sich ein wenig intensiver mit der eigenen Geschichte zu befassen und somit auch das Bewusstsein für Minderheiten zu schaffen, wollen wir Ihnen danken, dass Sie sich die Zeit genommen haben und wir viel von Ihnen erfahren durften.
Das Interview führten Dominik Duda und Florian Schmelzer.