In unserer neuesten Ausgabe unserer Mini-Interview-Reihe #verbunden_mit sprechen wir mit Prof. Renate von Ludanyi, PhD, Professorin am German Department an der Western Connecticut State University und Präsidentin der German Language School Conference in den Vereinigten Staaten von Amerika über die Samstagsschulen, Deutschsprachige und den deutschen Einwandererhintergrund von Millionen von Menschen in den USA.
Liebe Frau von Ludanyi, schön, dass es geklappt hat und wir uns über einige interessante Aspekte austauschen können. Das Konzept der Samstagssprachschulen ist in Amerika ein ziemlich alltägliches Phänomen, in Deutschland allerdings weitestgehend unbekannt. Können Sie uns dieses Konzept kurz beschreiben?
Die Entstehung der deutschen Sprachschulen in den USA geht zurück auf das 19 Jahrhundert, auf den Zeitpunkt, an dem obligatorisch englischsprachige Schulen eingeführt wurden und beruhte damals wie heute auf der Eigeninitiative von zumeist Eltern, die in der Diaspora ihren Kindern neben Englisch die Sprache und Kultur des Heimatlands erhalten wollen. Die Mehrzahl der Schulen entstand jedoch erst nach dem Zweiten Weltkrieg. Sie bezeichnen sich in den USA als „community based heritage language schools“, also Schulen für „Herkunftssprachler“, ein Begriff, der heute in der Mehrsprachigkeitsforschung – weniger im täglichen Umgang und in der Politik – auch in Deutschland bekannt ist.
Können Sie uns verraten, an wen sich die Samstagsschulen richten bzw. wer diese Schulen vorrangig besucht?
Diese Schulen haben eine besondere organisatorische Struktur, besondere Finanzierungsmodelle, Unterrichtsangebote und Kulturevents. In vielen Fällen sind sie das einzige Angebot für Schüler, deren Sprachkompetenz von rudimentär und rezeptiv- mündlich bis zu fastmuttersprachlich - reicht und die sich Deutsch auch als Bildungssprache aneignen möchten. Neben Deutsch als Herkunftssprache (DaH) bieten die meisten Schulen auch Deutsch als Fremdsprache (DaF) an, wenn möglich, in separaten Klassen. Es gibt ca. 50 bis 60 dieser Schulen in den USA, meist an der Ost- und Westküste . Die meisten davon sind Mitglieder der German Language School Conference (GLSC), der einzigen, seit 44 Jahren bestehenden Dachorganisation für US-Sprachschulen. Sie unterrichten Schüler vom Vorschulalter bis zur High-School, auch Erwachsene, meist samstags, drei Unterrichtsstunden, mindestens 30 Wochen im Schuljahr.
Die Schulen bieten einmal lokale Deutschprüfungen an (AATG, AP), wobei die Ergebnisse ihrer Schüler beständig über dem Durchschnitt der Schüler in den Pflichtschulen liegen, zum andern auch oft das Deutschen Sprachdiplom (DSD) der KMK, Stufe A2-C1. In Deutschland zu studieren ist eine Alternative, die sich zunehmender Beliebtheit erfreut und das DSD als Voraussetzung benötigt. Zusätzlich zum Deutschunterricht, feiern die Schulen deutschen Feier- und Festtage und bieten oft Kulturprogramme an. Sie bereichern somit auch die lokale Umgebung und bieten einen Einblick in die deutsche Kultur und ein modernes Deutschland.
Worin besteht die Motivation, eine German School zu besuchen? Deutsch gilt als eine schwere Sprache. Es ist doch bestimmt bekannt, dass man in deutschsprachigen Ländern auch mit Englisch recht weit kommt. Worin ist der Reiz an der Sprache?
Deutsch ist wie Englisch eine westgermanische Sprache, die vom Vokabular und den grammatischen Strukturen her viel Gemeinsames mit Englisch hat. Englischsprechende Schüler finden Deutsch in der Regel nicht als besonders schwierige Sprache. Im Jahr 2005 habe ich mit Prof. B. Mueller-Jaquier zusammengearbeitet. Über seine Vermittlung wurde von einer Studienabsolventin der Universität Bayreuth eine Studie über die Sprachschulen hergestellt. Darin wurde auch ein Motivationsprofil der Schüler erarbeitet. Unserer Kenntnis nach ist dies die einzige wissenschaftliche Studie, die es bis jetzt in diese Richtung gibt und die auch heute noch Gültigkeit besitzt. Die Schüler besuchen zunächst meist auf Wunsch des Elternhauses die Sprachschulen. Mehr als 63% der Schüler gaben den Besuch ebenso als Eigenmotivation an. Für gut 29% ging es darum, sich auf eine schulische bzw. universitäre Ausbildung in einem deutschsprachigen Land vorzubereiten. Eingeringer Teil der Schüler erklärte die Absicht, die Sprache „zum Spaß“ zu lernen.
Wie viele ihrer Schüler haben deutsche Wurzeln in ihrer Familiengeschichte? Gibt es deutschsprachige Familien oder ist Deutsch eher Zweitsprache oder Fremdsprache zu bezeichnen?
Die USA ist das Land, das heute die meisten Deutschsprachigen außerhalb der deutschsprachigen Länder Europas aufweist. Deutsch ist bei den Sprachschulschülern oft die Erstsprache. Es existiert auch die Situation von doppeltem Erstspracherwerb, d.h. von simultan erworbener Zweisprachigkeit, wenn das Kind Deutsch und Englisch gleichzeitig erwirbt. Spätestens mit Eintritt in den englischsprachige Kindergarten wird Englisch zur dominanten Sprache, neben der Herkunftssprache, die selten muttersprachliche Kompetenz erreicht. Viele der Sprachschulschüler sind amerikanische Staatsbürger oder haben die doppelte Staatsangehörigkeit.
Sie sind Professorin am German Department der Western Connecticut State University. Wie steht es um das Deutschlandbild Ihrer Studenten? Was motiviert die jungen Amerikaner, sich mit deutscher Kultur, mit deutscher Sprache auseinanderzusetzen?
Das Angebot von Deutsch als Fremdsprache, nicht Germanistik, ist heute das Anliegen der meisten Universitäten. Die jungen Leute an der WCSU studieren Deutsch, weil sie einmal aufgrund ihrer Herkunft ein Interesse an Deutsch haben und dies einer anderen Fremdsprache vorziehen und weil sie ein berufliches Interesse an Deutsch haben - Musik, Geschichte, Film, Kunst, Ingenieurwesen, Lehramt für Deutsch und so weiter. Die Auseinandersetzung der Studenten mit Deutsch geht oft einher mit dem Grund der Wahl ihres Fachs. Im Allgemeinen ist das Deutschlandbild dieser Studenten positiv.
Die Deutschensind historisch gesehen eine der größten, wenn nicht sogar die größte Einwanderergruppe in Amerika noch vor Engländern, Schotten und Iren. Was spürt man davon noch? Ist dies auch ein Teil der Motivation Ihrer Teilnehmer?
In der Tat, die Deutschen sind die größte Einwanderungsgruppe. Im USA-Alltag ist aber von deutschem Einfluss wenig oder nichts mehr zu spüren. The Economist nannte 2015 die „German-Americans“ als „silent minority“ und schrieb „America’s largest ethnic group has assimilated so well that people barely notice it.“ Es gibt kaum mehr deutsche Zeitungen oder Radioprogramme, nur vereinzelt noch deutsche Kirchengemeinden. Die deutschen Vereine existieren jedoch weiterhin und haben Zulauf. Es geht dabei weniger um Sprache und Kontakt zu moderner deutscher Lebensweise als um den Erhalt eines deutsch-amerikanisches Brauchtums in den USA. Nur eingeringer Teil der Sprachschuleltern und -lehrer ist Mitglied dieser Vereine, die somit auch keinen nennenswerten Kontakt zu den Schulen haben.
Wie finanzieren sich derzeit die German Language Schools und in welcher Form werden sie anerkannt? Erkennt z.B. das Auswärtige Amt die Saturday Schools so wie andere Auslandsschulen als gleichwertige Bildungseinrichtungen an? Wie ist das Standing innerhalb der USA?
Die US-Sprachschulen finanzieren sich maßgeblich durch die Einnahme von Schulgeld und von Spendenaktionen. Soweit Sprachschulen das Deutsche Sprachdiplom 1 und 2 in einer bestimmten Anzahl von bestandenen Examen pro Jahr erreichen, werden sie über die Zentralstelle für das Auslandsschulwesen (ZfA) bezuschusst. Sie werden im Auslandsschulgesetz unter der allgemeinen Bezeichnung der DSD-Schulen geführt und existieren neben, nicht gleichrangig zu den Auslandsschulen. Sie besitzen in ihrer Gesamtheit „offiziell“ keine Erkennungszeichen ihrer besonderen Genese, Struktur und Existenz. Sprachschulen, die kein DSD anbieten, werden von der ZfA nicht bezuschusst, haben keine Existenz im Schulgesetz. Die Deutschen Sprachschulen sind innerhalb ihrer geographischen Umgebung, wie auch die Sprachschulen anderer Sprachen, aufgrund von Mund-zu-Mund-Propaganda und Online-Werbung und so weiter bekannt und ebenso im professionellen Gerüst der German Language School Conference, der Community-Based-Heritage Language Schools. Sie sind jedoch nicht gesetzlich anerkannt, da sie außerhalb des obligatorischen Schulsystems operieren. Schülerleistungen in den Sprachschulen (AATG, DSD) z.B. können nicht auf den öffentlichen Zertifikaten oder Zeugnissen ihrer Tagesschulen erscheinen. Die Sprachschulen erhalten keinerlei finanzielle, materielle, kollegiale oder werbewirksame Unterstützung von öffentlicher Seite. Wenn es Kontakte gibt, so beruhen sie lediglich aufgrund persönlicher und professioneller Zusammenarbeit von Lehrern und/oder Eltern.
Liebe Frau von Ludanyi, vielen Dank für die detaillierten Eindrücke. Wir wünschen weiterhin viel Erfolg und Kraftin Ihrer Spracharbeit vor Ort in den USA!