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Datum
6.1.2023
Autor
Stiftung Verbundenheit

#verbunden_mit Germán Lehrke

#verbunden_mit German Lehrke

Ende Oktober 2022 hat der Dachverband der Deutsch-Argentinischen Vereinigungen FAAG bei seiner Jahreshauptversammlung einen neuen Vorstand gewählt. Der langjährige Verbandspräsident Rudolf Hepe wurde zum Ehrenpräsidenten der FAAG ernannt und an der Spitze des Verbandes von Germán Lehrke abgelöst.
Wir hatten für den dritten Teil unserer neuen Interviewreihe #verbunden_mit die Möglichkeit, mit dem neuen Vorsitzenden über die derzeitige Situation, die Ziele und Herausforderungen der Deutsch-Argentinischen Vereinigungen zu sprechen.

Sehr geehrter Herr Lehrke, vielen Dank für die Möglichkeit des Interviews mit Ihnen. Wie würden Sie den derzeitigen Stand der deutschsprachigen Gemeinschaft in Argentinien (Status Quo) beschreiben? Was sind aktuelle Herausforderungen und Probleme?

Die „deutsche“ Gemeinschaft in Argentinien würde ich nicht als deutschsprachig, sondern als deutschstämmig bezeichnen. Die Mehrzahl ihrer Angehörigen ist der deutschen Sprache nicht mehr mächtig, da es seit ca. 70 Jahren keine große Einwanderung aus deutschsprachigen Ländern mehr gibt und die Nachkommen der Einwanderer im Laufe der Zeit die deutsche Sprache verlernt haben und nun hauptsächlich Spanisch sprechen. Aber auch der Ausdruck „deutschstämmig“ ist nicht zu 100% zutreffend. Vor allem die Institutionen deutschen Ursprungs zählen heutzutage viele Mitglieder, die nicht deutscher Abstammung sind. Derzeit gibt es in Argentinien ca. 150 solcher Institutionen.


Ca. 25 bis 30 Schulen und Schulvereine bestehen heute und zählen in Summe etwa 18.000 Schüler. Einige wurden vor über 100 Jahren gegründet. Im Allgemeinen funktionieren die Schulen und Schulvereine sehr gut, bieten Qualitätsabschlüsse an und lehren die deutsche Sprache als Fremdsprache. Die Mehrzahl sind der Arbeitsgemeinschaft deutscher Schulen in Argentinien (AGDS) angeschlossen. In den Vorständen der Schulvereine wirken zum großen Teil Eltern der Schüler mit; man kann also von „jungen“ Vorständen sprechen.
Die Sportvereine haben wegen ihrer Tätigkeiten hohe Mitgliederzahlen. Da stetig Nachwuchs hinzukommt, ist ihre Zukunft so gut wie gesichert.
Die Kirchenvereine, hauptsächlich katholisch und evangelisch, wurden von Einwanderern gegründet und haben geringe Mitgliederzahlen. Einige Kirchenvereine sind nicht überlebensfähig. Viele haben sich sehr an die lokalen Gebräuche und die lokale Sprache angepasst, dafür aber die deutsche Sprache und die deutschen Gewohnheiten eingebüßt.
Die Kulturvereine wie z.B. Gesangsvereine sind aufgrund der Veralterung der Mitglieder und des geringen Nachwuchses in ihrer jetzigen Struktur nicht überlebensfähig. Es besteht jedoch Interesse an der deutschen Kultur, sodass sich in den letzten Jahren neue Vereine gebildet haben, um deutsches Kulturgut zu verbreiten. Deren Mitglieder beherrschen meist nicht die deutsche Sprache, möchten diese aber gerne erlernen.
Die Geselligkeitsvereine wurden meistens von den Landsmannschaften gegründet, haben aber heute kaum mehr Nachwuchs. Dies stellt ihr weiteres Bestehen auch in Frage.

Welche Themen stehen auf Ihrer Agenda in der Rolle als kürzlich neugewählter Präsident des Dachverbandes der Deutsch-Argentinischen Vereinigungen (FAAG)? Was wollen Sie erreichen? Was steht direkt auf dem Programm?

Das Ziel, welches wir uns im Vorstand der FAAG gesetzt haben, ist, die deutschstämmigen Vereine in Argentinien zu stärken und als Brücke nach Deutschland zu wirken. Es gibt mehrere Organisationen, die die Anerkennung in der lokalen Bevölkerung gewonnen haben. Dazu gehören z.B. die Deutsche Wohltätigkeitsgesellschaft (DWG), die AGDS sowie die Deutsch-Argentinische Industrie- und Handelskammer (AHK). Viele, hauptsächlich kleinere Vereine, kamen jedoch bisher nicht zum Zug, ihren Bekanntheitsgrad in der Gesellschaft zu steigern. Da sollte die FAAG mitwirken, und zwar als Bindeglied zwischen den Vereinen und Ihren Personen und der argentinischen Gesellschaft. Um dies zu erreichen, stärken wir den Kontakt zu unseren Mitgliedern. Wir möchten als Dachverband das Geschehen in den Vereinen näher kennenlernen; dazu zählen ihre Problematiken, Sorgen, aber auch ihre Zufriedenheit und Best Practices, die sie entwickelt haben. Meine Erfahrung in der AGDS ist, dass der Erfahrungsaustausch einer der wichtigsten Faktoren ist, um den Zusammenhalt und die Kooperation zu erreichen und zu fördern.

Jugendarbeit, der Blick in die Zukunft, neue Mitglieder gewinnen und das Überleben der deutschsprachigen Gemeinschaft in Argentinien sichern – Wie funktioniert das derzeit bei der FAAG und den lokalen, regionalen Vereinen? Wird das angegangen?

In diesen Bereichen sind wir sehr froh über die enge Zusammenarbeit mit der Stiftung Verbundenheit und ihrer Bürgerdiplomatie-Initiative #JungesNetzwerk und hoffen, die Kooperation zu vertiefen. #JungesNetzwerk hat mit seiner nunmehr schon 3-jährigen Arbeit in Argentinien erreicht, das Interesse jugendlicher Argentinier an Deutschland, seiner Kultur und Sprache zu wecken. Für die FAAG ist es wichtig, dass sich diese Jugendlichen einem deutschstämmigen Verein anschließen. Nur so können die Vereine vom Interesse junger Menschen am heutigen Deutschland profitieren und ihre Beziehungen zu diesem Land ausbauen. Die Zusammensetzung des jetzigen Vorstandes der FAAG zeigt, dass wir uns über die Wichtigkeit der regionalen und landesweiten Integrierung in Argentinien bewusst sind. So gehören dem Ende November neugewählten Vorstand nun Vertreter mehrerer Vereine des Landesinnern an; unter ihnen auch Mitglieder von #JungesNetzwerk. Derzeit stellen wir eine Arbeitsagenda auf, mit dem Ziel bestehende Mitgliedsvereine und potenzielle neue Mitglieder zu besuchen und mit den Tätigkeiten der FAAG bekannt zu machen.

Sie loben die gute Kooperation mit der Stiftung Verbundenheit. Wie genau kann Ihrer Meinung nach die Stiftung Verbundenheit die FAAG und die einzelnen Vereine unterstützen? Was wurde bereits getan?

In Bezug auf die Jugendarbeit habe ich die Antwort ja schon ausgeführt. Die Kooperation mit der Stiftung Verbundenheit startete Anfang 2018 mit dem Evaluierungsbesuch von Herrn Dr. Marco Just Quiles. Die erarbeitete Studie gab uns einen Überblick über den Stand der damals besuchten deutschstämmigen Vereine. Darauf folgte die Gründung der Initiative #JungesNetzwerk in Rosario, bei der ich zugegen war und in einer Rede den Wunsch der Vereinszugehörigkeit hervorhob. Weiterhin wurden von der Stiftung Verbundenheit unter der Schirmherrschaft der FAAG Tagungen, Workshops und Netzwerkkongresse organisiert. In der Jahreshauptversammlung Ende Oktober 2022 wurden mehrere Mitglieder von #JungesNetzwerk in den föderalen Unterausschuss der FAAG gewählt. Über diesen Unterausschuss wurden schon der FAAG angeschlossene Vereine besucht und neue Mitglieder gewonnen. All dies bekräftigt die sehr gut funktionierende Kooperation mit Stiftung Verbundenheit. Auch haben wir untereinander vereinbart, dass ein Vertreter der Stiftung Verbundenheit im Büro der FAAG in Buenos Aires einen Arbeitsplatz bekommt, um weitere Kontaktarbeiten zu Vereinen zu tätigen. Die Tätigkeiten der Vorstandsmitglieder der FAAG sowie der Mitgliedsvereine werden ehrenamtlich ausgeführt. Dies beschränkt uns in unserer Verfügbarkeit. Auch sind die Mitgliedsbeiträge gering, sodass nicht viel Budget für Reise- und Verwaltungskosten zur Verfügung steht. Daher würden wir uns natürlich über die weitere finanzielle Unterstützung der Arbeit der FAAG freuen. Auch die Kooperation in der Erstellung und Aktualisierung einer Vereinsdatenbank, der Webseite und der sozialen Netzwerke (Facebook, Instagram, usw.) wäre von hohem Nutzen. Auf diesem Gebiet wurde schon angefangen, zu arbeiten mit dem Ziel, die Kommunikation mit den Mitgliedern der angeschlossenen Vereine zu verbessern.

Das Wissen über deutschsprachige Gemeinschaften in Lateinamerika – wie steht es damit in der Mehrheitsgesellschaft in Argentinien? Wie kann man die Bekanntheit der deutschsprachigen Gemeinschaft Lateinamerikas und besonders Argentiniens in Deutschland und auch bei den deutschen Minderheiten in Europa oder Asien steigern?

Im Kreise der Vereine, die der FAAG angeschlossen sind, sollte die deutschsprachige Gemeinschaft in Lateinamerika gut bekannt sein. So wird jährlich mit Unterstützung der FAAG ein Treffen der deutschsprachigen Gemeinschaften in Lateinamerika (CAAL: Comunidades de habla alemana de América Latina) organisiert, an dem Vertreter der Vereine aus Chile, Bolivien, Brasilien, Perú, Kolumbien, Venezuela, und Argentinien teilnehmen. Jedoch denke ich, dass nur wenige über diese Gemeinschaften Bescheid wissen. Die deutschen Auslandsschulen und einige Sprachdiplomschulen in Argentinien halten Kontakte mit anderen deutschsprachigen Schulen in Lateinamerika. Ich könnte mir vorstellen, dass die Bekanntheit der deutschstämmigen und deutschsprachigen Gemeinschaften Argentiniens oder Lateinamerikas beispielsweise durch Austauschprogramme für Jugendliche, Partnerschaften mit Vereinen in Deutschland und über das breite Kontaktnetzwerk der Stiftung Verbundenheit in aller Welt gesteigert werden kann.

Vielen Dank, Herr Germán Lehrke für den detaillierten Einblick in die deutschstämmige Gemeinschaft in Argentinien und Lateinamerika. Wir freuen uns auf die weitere Zusammenarbeit mit der FAAG und auf die gemeinsamen anstehenden Aktivitäten und Veranstaltungen.

Das Gespräch führte Jan Wilms.

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