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Datum
3.3.2025
Autor

#verbunden_mit Bischof Rolf Bareis

In der neuen Ausgabe unserer Miniinterview-Reihe sprechen wir mit Bischof Rolf Bareis, dem Bischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Georgien und dem Südlichen Kaukasus (ELKG). Der seit 2023 in der genannten Region aktive Bischof Bareis war bis zu seinem Umzug nach Georgien leitender Obmann des Evangelischen Posaunendienstes in Deutschland und leitete von 1996 bis 2001 die St. Georgsgemeinde in Samara in Russland. Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Georgien und dem Südlichen Kaukasus (ELKG) ist eine Partnerkirche der Evangelischen Landeskirche in Württemberg und geht in ihren Ursprüngen auf schwäbische Auswandererfamilien des 19. Jahrhunderts zurück, weshalb Bischof Bareis auch heute viel in Kontakt mit den Mitgliedern und Nachkommen der deutschen Minderheiten in Georgien, Armenien und Aserbaidschan ist. Mit ihm sprachen wir über die aktuelle Lage in Georgien.

Sehr geehrter Herr Bischof Bareis, Georgien befindet sich derzeit in politisch unsicheren, aber wohl richtungsweisenden Zeiten. Ein Teil der georgischen Gesellschaft will den pro-europäischen Weg gehen. Andere, so auch der frisch gewählte Präsident, eher die Nähe zu Russland suchen. Sie als Mann der Kirche und Deutscher, der vor Ort lebt und wirkt, können wohl am besten aus Georgien berichten, den Blick von außen auf die aktuelle Situation wahrend. Wie schätzen Sie die derzeitige Lage ein?

Es ist so widersprüchlich, was hier in Georgien geschieht. Stellen Sie sich vor, 10 % der Bevölkerung würde in Deutschland in unangemeldeten Demonstrationen gegen die Regierung demonstrieren. Beeindruckend auch wie im Großen und Ganzen friedlich die Demonstrationen ablaufen und mit welcher Energie und Ausdauer die Demonstrierenden ihre Meinung auf die Straße bringen. Die Lage in Georgien ist derzeit sehr angespannt. Keiner weiß so richtig, wie es weiter gehen wird. Nach wie vor demonstrieren viele Menschen in Georgien gegen den Kurs der Regierung. Der Riss geht durch die ganze Gesellschaft, durch Familien - auch durch unsere Kirche. Der Rückzug vieler westlicher Länder aus Hilfsprojekten in Georgien ist schon jetzt spürbar. Ich habe gelesen, dass fast 80.000 Menschen bei NGOs angestellt waren. Viele NGOs, vor allem „Watch Dogs“ und „Meinungsbildende NGO“ haben dem Land den Rücken gekehrt – leider auch viele humanitäre NGOs. Vor kurzem erst wurde in Batumi in der Hotellobby ein Oppositionspolitiker tätlich angegriffen und auch sonst gibt es viel Einschüchterungsaktionen wie z.B. telefonische Drohungen. Viele Menschen trauen sich nicht offen oder gar öffentlich zu sagen, was sie denken. Eine große Rolle wird in der nahen Zukunft die Haltung und Reaktion der Europäischen Staaten und vor allem der USA spielen.

Wie werden sich, wenn es nun bei dem Politikwechsel zu einer russland-freundlichen Präsidentschaft bleibt mit einer gleichgesinnten Regierung in Georgien, Ihrer Meinung nach die deutsch-georgischen Beziehungen entwickeln?

Deutschland hat nach wie vor einen guten Ruf bei der Bevölkerung – auch wenn der Ton der Regierung gegenüber Deutschland sich deutlich verschärft hat wird Deutschland nach wie vor als wichtiger Partner angesehen. Der Kontakt auf politischer Ebene ist momentan auf ein Minimum reduziert.  Das belastet natürlich die deutsch-georgischen Beziehungen auf offizieller Ebene. Umso wichtiger sind die vielen direkten Kontakte und Partnerschaften. Und umso wichtiger sind auch Besuche in Georgien, die ich für unbedenklich halte, wenn man sich nicht gerade an Demonstrationen beteiligt. Man verbittet sich von georgischer Seite kritische Töne aus dem Ausland. Vielleicht hat sich Deutschland in der Vergangenheit auch zu sehr in inner-georgische Probleme und Entscheidungen „eingemischt“. Und tatsächlich ist es ja auch eine Situation, die die Georgierinnen und Georgier zunächst selbst lösen müssen. Leider weiß niemand so recht, wie das geschehen kann. Mein Eindruck ist, dass man im Moment vor allem versucht international zu deeskalieren und zu einer gewissen „Normalität“ zu kommen. Aber wie gesagt, die Situation ist nach wie vor angespannt.

Betrifft die derzeitige Situation auch ihre Arbeit für die Evang.-Luth. Kirche vor Ort direkt? Welche Eindrücke können Sie in ihrem Umfeld, unter den Gläubigen bzw. den Personen, die eine Beziehung zur Deutschen Minderheit vor Ort haben oder ihr noch angehören, sammeln?

Wie schon gesagt, ist das Meinungsbild in der Deutschen Minderheit, auch in unserer Kirche sehr disparat. Auf der einen Seite sagen viele „Uns geht es materiell besser als vor 10 Jahren“ und die Regierungspartei hat ja auch eine deutliche Mehrheit in der Bevölkerung – wie groß sie noch ist, ist schwer zu sagen, weswegen es wohl auch keine Neuwahlen geben wird. Als Kirche sind wir vom sogenannten „Agentengesetz“ nicht direkt betroffen. Deswegen müssen wir uns auch nicht registrieren lassen, wohl aber unser diakonisches Werk, was wir gerade rechtlich klären lassen und auch die deutsche Kulturvereinigung „Einung“. Als Kirche müssen wir für alle da sein und so versuchen wir „Neutralität“ zu wahren und so Orte der Begegnung und Verständigung zu bieten. Indirekt sind wir natürlich betroffen, weil wir die Spannung in der Bevölkerung mitbekommen und merken, wie es vor allem sozial schwächere Menschen schwerer haben. Die Anfragen nach Hilfe sind deutlich gestiegen – leider viel mehr als unser Spendenaufkommen für unsere vielen humanitären Projekte. Unser Spendenaufkommen ist durch die politische Situation deutlich zurückgegangen. Dennoch versuchen wir, das Möglichste zu tun, den Menschen zu helfen. Durch den großen Finanzaufwuchs durch ausländische, vor allem russische Investoren im Land liegt die „rechnerische“ Inflationsrate unter 5%. Das kommt leider nicht in den Geschäften an. Lebensmittel sind bis zu 30% teurer geworden. Das trifft die sozial Schwächeren am härtesten.

Was erwarten Sie in nächster Zeit?

Prognosen für die Zukunft kann hier leider keiner machen. Zu schnell sind Änderungen möglich und es scheint alles möglich. Es bleibt vor allem Hoffen und Beten.

 

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