Nach Lesungen in Prag, Brünn, Oppeln und Bayreuth aus dem Buch „Schuld und Leid“ der Journalisten Thomas Kreutzmann und Werner Sonne, die von der Stiftung Verbundenheit organisiert wurden, fand jetzt eine weitere Lesung mit anschließender Diskussion in der Botschaft der Tschechischen Republik in Berlin statt.
Die Stiftung Verbundenheit, vertreten durch Stiftungsratsvorsitzenden Hartmut Koschyk, Stiftungsvorstandsvorsitzenden Prof. Oliver Junk und Geschäftsführer Sebastian Machnitzke war im Mai dieses Jahres beim Tschechischen Botschafter in Berlin Tomás Kafka und der Kultur- und Presseattaché Lydie Hokinková zu Gast. Dabei lud Botschafter Kafka die Stiftung ein, diese Lesung auch in der Botschaft der Tschechischen Republik in Berlin durchzuführen.
Neben den beiden Autoren Thomas Kreutzmann und Werner Sonne konnte die Stiftung Verbundenheit den Sprecher der Sudetendeutschen Volksgruppe und Bundesvorsitzenden der Sudetendeutschen Landsmannschaft Dr. h.c. Bernd Posselt sowie die Journalistin und Medienwissenschaftlerin Lucie Römer aus Prag für eine Diskussion gewinnen. Lucie Römer ist u.a. Autorin einer Dokumentation über deutsche Gräber in der Tschechischen Republik sowie eines zweisprachigen Buches von Märchen und Sagen in Böhmen. Mähren und Schlesien. Für ihr journalistisches Engagement wurde sie von der Stiftung Verbundenheit, der Sudetendeutschen Stiftung und der Kulturstiftung der Vertriebenen mit dem Johnny-Klein-Preis für deutsch-tschechische Verständigung ausgezeichnet.
Die Gäste der Autorenlesung mit Diskussion wurden vom Gesandten der Tschechischen Republik Petr Kubera willkommen geheißen, der die Veranstaltung ein Symbol der guten deutsch-tschechischen Beziehungen nannte, in der die Sudetendeutschen eine wichtige Rolle spielten und auch das Thema ihrer Vertreibung nicht mehr tabuisiert werde.
Die Autoren des Buches „Schuld und Leid“, Thomas Kreutzmann und Werner Sonne, widmeten sich bei der Lesung in der Tschechischen Botschaft vor allem den deutsch-tschechischen Beziehungen, welche mit den Spannungen nach dem ersten Weltkrieg bis hin zur Zerschlagung der Tschechoslowakei durch Hitler, das grausame NS-Besatzungsregime, den Holocaust und die Vertreibung der Sudetendeutschen einen Tiefpunkt erreicht hatte. Nach der „samtenen Revolution“ in der Tschechoslowakei konnte ein mühevoller Weg der Annäherung, Aussöhnung und Verständigung gewagt werden, bei dem auf tschechischer Seite Václav Havel und Karl Schwarzenberg frühzeitig auf die Sudetendeutschen zugegangen seien. Thomas Kreutzmann wies in diesem Zusammenhang auch auf die Verurteilung der Vertreibung der Sudetendeutschen bereits durch die Initiatoren der „Charta 77“ hin, die sich auch als erste Dissidenten in Mitteleuropa für die deutsche Einheit ausgesprochen hatten.
Unter der Leitung von Dominik Duda, dem Teamleiter Mittel- und Osteuropa der Stiftung Verbundenheit, diskutierten die beiden Autoren anschließend mit Lucie Römer und Bernd Posselt über den aktuellen Stand der deutsch-tschechischen Beziehungen und die Rolle der Sudetendeutschen und der Deutschen Minderheit in der Tschechischen Republik.
Lucie Römer würdigte das Buch „Schuld und Leid“ als „neuen Blickwinkel“ auf das Thema „Flucht und Vertreibung“ gerade im Angesicht desrussischen Angriffskrieges auf die Ukraine. Sie berichtete von aktuellen Umfragen in Tschechien, wo ein großer Anteil der Bevölkerung, vor allem in der jüngeren Generation die Vertreibung der Sudetendeutschen inzwischen als Unrecht betrachtet.
Bernd Posselt schilderte sehr anschaulich den Einsatz der Sudetendeutschen für einen offenen und in die Zukunft gerichteten Dialog mit dem tschechischen Volk, der auch während des Kalten Krieges und vor allem nach der Niederschlagung des „Prager Frühlings“ mit der tschechischen Emigration in Westdeutschland stattgefunden habe. Auch er würdigte Václav Havel und Karl Schwarzenberg als mutige Brückenbauer zu den Sudetendeutschen, verwies aber auch auf zahlreiche weitere Persönlichkeiten und Initiativen wie „Respekt“, die sich unmittelbar nach der „samtenen Revolution“ mit dem Vertreibungsschicksal der Sudetendeutschen auseinandergesetzt und das Gespräch mit der Landsmannschaft gesucht hätten. Er würdigte besonders den Filmemacher und Publizisten David Vondráček, der für die Diskussion in der Tschechischen Botschaft zugesagt hatte, aber aufgrund einer Erkrankung nicht teilnehmen konnte.
Auf die Frage von Thomas Kreutzmann äußerte Posselt sich optimistisch über die zukünftige Entwicklung der Sudetendeutschen Landsmannschaft, in der immer mehr jüngere Nachfahren der Sudetendeutschen nach ihren familiären Wurzeln suchten und die sich sehr engagiert am Dialog mit der jüngeren Generation in Tschechien beteiligten, die sich ebenfalls zunehmend für die Geschichte der Sudetendeutschen interessiert. Posselt lud Thomas Kreutzmann und Werner Sonne zu einer Lesung aus ihrem Buch „Schuld und Leid“ im Rahmen des nächsten 74. Sudetendeutschen Tages zu Pfingsten 2024 nach Augsburg ein.
Zum Abschluss der Veranstaltung dankte Hartmut Koschyk namens der Stiftung Verbundenheit der Tschechischen Botschaft für die Gastfreundschaft und Kooperation bei der Durchführung der Autorenlesung und Diskussion. Er überreichte Kultur- und Presseattaché Lydie Holinková einen Blumenstrauß.
Koschyk würdigte das journalistische Engagement der AutorenThomas Kreutzmann und Werner Sonne mit ihrem Buch „Schuld und Leid“ und deren Bereitschaft zu der inzwischen fünften Lesung mit Diskussion durch die Stiftung Verbundenheit. Er dankte auch Lucie Römer für ihr unermüdliches publizistisches Wirken für die deutsch-tschechische Verständigung.
Im Hinblick auf Bernd Posselt erinnerte Koschyk an die eindrucksvollen Worte des Tschechischen Staatspräsidenten Petr Pavel anlässlich der deutsch-tschechischen Freundschaftswochen in Selb, wo dieser den Beitrag Bernd Posselts und der Sudetendeutschen für die deutsch-tschechische Verständigung besonders gewürdigt hatte.
Vor der Veranstaltung in der Tschechischen Botschaft hatte sich Hartmut Koschyk auch in das Kondolenzbuch für den kürzlich verstorbenen Außenminister der Tschechischen Republik Karl Schwarzenberg eingetragen, dem er mehrfach begegnet war. In der Tschechischen Botschaft traf Koschyk auch Tschechiens Vizeaußenminister Martin Smolek, der über intensive persönliche Kontakte nach Deutschland verfügt und in Berlin studiert hat.