Für 2025 hat sich die Stiftung Verbundenheit mit den Deutschen im Ausland ein neues Ziel vorgenommen: Die „Jeckes“ in Israel, die Menschen mit deutschen Wurzeln, die sich als Nachkommen deutscher Juden (,,Jeckes") oder noch als Holocaustüberlebende der deutschen Sprache und der deutschen Kultur eng verbunden fühlen. Schon in diesem Jahr wurden erste, erfolgversprechende Kontakte mit dieser Gruppe geknüpft. Sie sollen im kommenden Jahr vertieft werden. Die Eröffnung eines Jeckes-Museums in Haifa bietet dafür einen wichtigen aktuellen Aufhänger.
Deshalb widmete die Stiftung Verbundenheit ihr drittes Nikolaigespräch aus den Berliner Kurfürstenhöfen diesem Thema. Unter dem Titel „Jeckes in Gegenwart und Zukunft – die deutschsprachigen Israelis im Fokus der deutschen Gesellschaft“ diskutierte der ehemalige ARD-Moderator und Buchautor Werner Sonne gemeinsam mit seinen Gästen Viktoria Kanar, einer israelisch-deutschen Startup-Unternehmerin aus Berlin und Professor Moshe Zimmermann, Mitglied des Präsidiums der Organisation der Israelis deutschsprachiger Herkunft, über die Wahrnehmung der rund 200.000 deutschstämmigen Bürger Israels sowie der jüdischen Gemeinde in Deutschland.
Stiftungsratsvorsitzender Hartmut Koschyk stellte in seiner Begrüßung das Kooperationsprojekt zwischen der Stiftung und der Organisation der Israelis mitteleuropäischer Herkunft vor und verwies auf die angestrebte Zusammenarbeit in den Bereichen der deutschen Sprache, der Familienforschung, der zwischenmenschlichen Beziehungen und der politischen Bildung. Die ersten Schritte der Umsetzung des Projekts erfolgten im engen Austausch mit dem Zentralrat der Juden in Deutschland sowie Verantwortlichen aus Bundesregierung und Bundestag.
Brückenbauer zwischen den Gesellschaften
In einer Videobotschaft begrüßte der Antisemitismus-Beauftragte der Bundesregierung Dr. Felix Klein die Anstrengungen der Stiftung Verbundenheit im Austausch mit der jüdischen Gemeinschaft und hob den Stellenwert der Jeckes im modernen Staat Israel hervor. Trotz der NS-Vergangenheit Deutschlands bewahrten die deutschstämmigen Israelis ihre Sprache und Kultur und verstehen sich heute als Brückenbauer zwischen der deutschen und israelischen Kultur und Gesellschaft.
Positives Bild der Deutschen
Zusammen mit Viktoria Kanar erörterte Werner Sonne die Vielfalt des “Schmelzziegels” Israel und den Beitrag der deutschen Juden für die Gesellschaft Israels. Kanar zeigte auf, dass zwar der Einfluss der deutschstämmigen Juden in Israel nicht mehr offensichtlich erkennbar ist, das Deutschlandbild der heutigen Israelis sich aber in den vergangenen Jahren zum Positiven gewandelt habe. Diese Entwicklung zeigt sich auch im Selbstbewusstsein der Jeckes in der israelischen Gesellschaft. Kanar zeigte sich besorgt, dass das jüdische Leben in Deutschland nicht überall öffentlich gelebt werden kann, während die deutsche Sprache in Israel präsent ist.
Ehre, ein Jecke zu sein
Der Historiker Moshe Zimmermann, der für seine Antisemitismus-Forschung bekannt ist, zeigte sich geehrt, Jecke zu sein. Er berichtete zunächst, dass in der Gründungsphase Israels die ca. 70.000 deutschsprachigen Juden oft mit den Nationalsozialisten in Verbindung gebracht wurden und deshalb viele die deutsche Sprache nicht bewahrten. Jedoch hat sich nicht nur die Wahrnehmung in der Gesellschaft positiv gewandelt, sondern nun ist auch das Wort “Jecke” positiv konnotiert. Der Beitrag der Juden mitteleuropäischer Herkunft während der Gründungszeit sei jedoch wichtig gewesen, da diese rund ein Viertel stellten und in verschiedenen Bereichen des öffentlichen Lebens wie in Politik, Wirtschaft und in der Wissenschaft aktiv waren. Abschließend ging Moshe Zimmermann auf die Eröffnung des Jeckes-Museums in Haifa im Jahr 2025 ein und äußerte den Wunsch der Jeckes als Teil der Auslandsdeutschen wahrgenommen zu werden, wozu die Kooperation mit der Stiftung Verbundenheit mit den Deutschen im Ausland einen wertwollenen Beitrag leistet.
Weltweites Engagement für jüdisches Erbe
Zwischen den Diskussionsblöcken wurden verschiedene Beispiele der deutsch-jüdischen Zusammenarbeit aus Polen, Rumänien und Tschechien eingeblendet. Marek Dziony, der Leiter der Joseph-von-Eichendorff-Bibliothek in Oppeln, skizzierte die Pflege des jüdischen Friedhofs in der Stadt Zülz in Oberschlesien. Nach dem Fall des Kommunismus bemühen sich polnische und deutsche Bürger der Stadt das kulturelle Erbe der 1938 durch die Nationalsozialisten aus der Stadt vertriebenen Juden zu erhalten. In Rumänien arbeitet der Vertreter der deutschen Minderheit im Parlament Ovidiu Gant eng mit dem Vertreter der jüdischen Minderheit Silviu Vexler bei der Aufarbeitung des Holocaust und im Kampf gegen den Antisemitismus zusammen und unterstützte auch die Wiedereröffnung der Synagoge in Temeswar. Der Vorsitzende des Kulturverbands der Bürger deutscher Nationalität in Tschechien Radek Novak hat selbst sowohl deutsche als auch jüdische Wurzeln und setzt sich mit seiner Arbeit für die Popularisierung der deutsch-jüdischen Geschichte und Kultur in Tschechien ein, so zum Beispiel mit Projekten an der Karls-Universität in Prag. In Argentinien arbeiten die deutsche und jüdische Gemeinschaft seit 2023 aktiv zusammen und haben in Kooperation mit der Stiftung Verbundenheit die “Initiative für eine tolerante Gesellschaft ohne Antisemitismus” gestartet, deren zentrales Element die Ausstellung “Stolpersteine - ein Name, ein Schicksal, eine Person”, die an 11 Orten landesweit in Argentinien in deutschen Schulen, Vereinen und zwei Landesparlamenten ausgestellt wurde. Auch auf lokaler Ebene wurde die Arbeit gestärkt, so in der Stadt Rosario. Für das Jahr 2025 plant die Stiftung Verbundenheit ein Folgeprojekt in Kooperation mit dem Anne-Frank-Zentrum in Buenos Aires, den jüdischen Gemeinden und den deutsch-argentinischen Kulturvereinen.
Mittler zu deutschen Minderheiten weltweit
Stiftungsratsvorsitzender Hartmut Koschyk fasste abschließend die Arbeit der Stiftung Verbundenheit als Mittlerorganisation für die deutschen Minderheiten in Mittel- und Osteuropa sowie in Lateinamerika, so z.B. die Etablierung des Jungen Netzwerks, bei der Jugendliche auch ohne deutsche Wurzeln, aber mit Bezug zu Deutschland, gesellschaftliche Projekte durchführen, zusammen.
Zudem zog er eine positive Bilanz der Gespräche über die Unterstützung der Israelis mitteleuropäischer Herkunft durch die Bundesregierung und skizzierte die nächsten Schritte der Zusammenarbeit – den Aufbau von Kontakten zwischen den Organisationen und die Unterstützung bei der Eröffnung des Jeckes-Museums in Haifa.
Die Gesprächsreihe der Nikolaigespräche wird zweimal pro Jahr zu aktuellen Fragen in Bezug auf die deutschen Minderheiten und deutschsprachigen Gemeinschaften mit interessanten Gesprächspartnern sowie Gästen aus verschiedenen Ländern durchgeführt. Sie soll zu neuen Erkenntnissen, zu einem intensiveren Austausch sowie zu einem Beitrag zur Zukunftsfähigkeit der genannten Gruppen führen.
Sehen Sie jetzt bei uns auf Youtube das dritte Nikolaigespräch der Stiftung Verbundenheit moderiert von Werner Sonne mit den beiden Gesprächsgästen Viktoria Kanar und Moshe Zimmermann.