Die Fachtagung „100 Jahre seit der Ausrufung der Wolgadeutschen Sowjetrepublik“, die vom 13. bis 15. Dezember 2024 in der Bildungs- und Begegnungsstätte Der Heiligenhof – Alles Leben ist Begegnung in Bad Kissingen stattfand, beleuchtete verschiedene historische, kulturelle, religiöse, wirtschaftliche, kulinarische und gesellschaftliche Aspekte der Wolgadeutschen. Gleichzeitig sollten in den Podiumsdiskussionen unter anderem verschiedene Potentiale herausgearbeitet werden, um die Geschichte und Kultur der Deutschen aus dem postsowjetischen Raum noch stärker in die Wahrnehmung der Gesamtgesellschaft zu rücken.
Die Stiftung Verbundenheit nahm mit ihrem Stiftungsratsvorsitzenden Hartmut Koschyk und Projektkoordinator Peter Aifeld an der Veranstaltung teil. Hartmut Koschyk war neben seinem Grußwort als Panelist bei der Diskussionsrunde zum Thema" Deutsche im und aus dem postsowjetischen Raum – Erfolge und Herausforderungen" und sprach unter der Moderation von Waldemar Eisenbraun (Geschäftsleiter des BKDR) mit Albina Baumann (stellv. Bundesvorsitzende der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland), Kornelius Ens (Leiter des Museums für russlanddeutsche Kulturgeschichte) und Dr. Olga Martens (ehem. stv. Vorsitzende des IVDK, Initiatorin der Sprach- und Partnerschaftsinitiative e.V. und Vorsitzende des Fachbeirats Deutsche Sprache der Stiftung Verbundenheit). Peter Aifeld referierte zum Thema "Nischnaja Dobrinka - die erste deutsche Kolonie an der Wolga von der Gründung (1764) bis zur Deportation der Einwohner und Auflösung der Wolgarepublik (1941)" und vertrat die Stiftung bei der Info-Börse.
Für geladene Partner, darunter das Haus der Heimat Nürnberg, Haus des Deutschen Ostens (HDO), der Historische Forschungsverein der Deutschen aus Osteuropa (HFDO), die Landsmannschaft der Deutschen aus Russland (Landes- und Bundesebene), der Literaturkreis der Deutschen aus Russland, die Landsmannschaft der Wolgadeutschen, die Möglichkeit zur Teilnahme an einer Info-Börse und damit verbunden die Selbstpräsentation unterschiedlicher Institutionen und Vereine, um der breiten Öffentlichkeit die eigenen Projekte und Wirkungsfelder vorzustellen und näherbringen zu können, jedoch gleichzeitig mit möglichen Kooperationspartnern über zukünftige Vorhaben zu sprechen und einen Informationsaustausch zu betreiben.
Die Fachtagung wurde vom Heiligenhof veranstaltet in produktiver und ergebnisorientierter Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Kulturzentrum der Deutschen aus Russland (BKDR) und stand unter der Schirmherrschaft des Bayerischen Ministerpräsidenten Dr. Markus Söder.
Indes wurden schriftliche Grußworte von Dr. Markus Söder (MdL, Bayerischer Ministerpräsident), Anna Stolz (MdL, Bayerische Staatsministerin für Unterricht und Kultus), Natalie Pawlik (MdB, Beauftragte der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten) und Dr. Petra Loibl (MdL, Beauftragte der Bayerischen Staatsregierung für Aussiedler und Vertriebene) verlauten lassen. Zudem richteten Dr. Ortfried Kotzian (Stiftungsratsvorsitzender der Stiftung Sudetendeutsches Sozial- und Bildungswerk), Ewald Oster (Vorsitzender des BKDR-Trägervereins), Albina Baumann (stellv. Bundesvorsitzende der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland) und Hartmut Koschyk (Stiftungsratsvorsitzender der Stiftung Verbundenheit) ihre Grußworte an alle Tagungsteilnehmer.
Historische Perspektiven und Entwicklungen
Einer der Themenschwerpunkte des Kongresses befasste sich mit der Geschichte der Wolgadeutschen seit der Ankunft im Russischen Zarenreich und ihrer Entwicklung bis hin zur Ausrufung der Wolgadeutschen Sowjetrepublik bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs und der Nachkriegszeit. Es ging um die komplexe Rolle der Russlanddeutschen in der Sowjetunion, von Revolution und Autonomie bis hin zu den Repressionen unter Stalin. Auch die religiösen Dimensionen und dementsprechend Unterdrückung und Verfolgung, denen die Wolgadeutschen unterlagen, standen im Mittelpunkt der Betrachtung.
Kulturelle und gesellschaftliche Aspekte
Ein weiterer thematischer Block beschäftigte sich mit der Kulturpflege und der Weitergabe des kulturellen Erbes der Wolgadeutschen. In mehreren Fachvorträgen und Podiumsdiskussionen wurden sowohl die Bedeutung der Literatur als auch die Rolle der Kulturorganisationen wie der „Wiedergeburt“-Bewegung und deren Einfluss auf die Selbstorganisation der deutschen Minderheit erörtert. Zudem wurden gleichermaßen das wirtschaftliche Engagement und die kulturellen Leistungen der Wolgadeutschen ausführlich thematisiert.
Die Rolle der Sprache und Identität
Die Bedeutung der Sprache der Wolgadeutschen wurde ebenfalls skizziert. Auch die wolgadeutsche Architektur und deren Besonderheiten wurden untersucht. Die Auswirkungen des Großen Terrors in der Region wurden ebenfalls ausführlich durchleuchtet und verdeutlichten, unter welchen Bedingungen die Wolgadeutschen leben mussten und mit welchen Mitteln sie systematisch bekämpft wurden – trotz der schwierigen Umstände war der Wille, die eigene Identität und damit verbunden die Sprache zu bewahren, ungebrochen.
Gesprächsrunden und Diskussionen
Die Tagung bot darüber hinaus zahlreiche Gelegenheiten für interaktive Diskussionen, in denen Experten und Teilnehmer gemeinsam über die Herausforderungen und Erfolge der deutschen Minderheiten im postsowjetischen Raum sowie über die Vermittlung von Geschichte und Kultur der Wolgadeutschen sprachen. Podiumsgespräche mit prominenten Vertretern aus den Bereichen der Wissenschaft, Kultur und gleichzeitig der Politik, ermöglichten einen Austausch zu aktuellen Themen rund um das Erbe der Wolgadeutschen.
Kulturelles Programm vor Ort
Neben den zahlreichen Fachvorträgen und Podiumsdiskussionen wurde durch das Theaterstück „Die Kist´ von der Wolga“ von und mit Maria und Peter Warkentin (Russlanddeutsches Theater Niederstetten), Videobeiträge zu Mundarten und Trachten sowie einem klangvollen Konzert von Maria Vollmer und ihrer Mutter Olga auf anschauliche Weise die Kultur und Geschichte der Wolgadeutschen – und damit verbunden im Allgemeinen der Deutschen aus dem postsowjetischen Raum – vermittelt. Gefördert wurde das kulturelle Programm vom BKDR. Ein Segenswort von Diakon Kurt Reinelt würdigte die spirituelle Dimension der Wolgadeutschen Gemeinschaft und veranschaulichte, welche Rolle die Religion sowohl damals einnahm als auch heute noch immer einnimmt.
Wir danken dem Veranstalter des Heiligenhofs und auch der Stiftung Sudetendeutsches Sozial- und Bildungswerk, dass wir in Zusammenarbeit eine gelungene Fachtagung durchführen und zahlreiche interessierte Gäste sowohl zum kulturellen Abendprogramm als auch zu den wissenschaftlichen Vorträgen begrüßen konnten – eine würdevolle Veranstaltung, um an das 100-jährige Jubiläum der Ausrufung der Wolgadeutschen Sowjetrepublik zu erinnern.
Großer Dank gilt natürlich auch den zahlreichen interessierten und engagierten Teilnehmern – über die bedeutenden Spenden des Gemäldes, einem Silberlöffel sowie einer Metallskulptur mit wolgadeutschem Bezug freuen wir uns sehr!
Nachstehend finden Sie viele Eindrücke der Tagung vom vergangenen Wochenende.
Sehen Sie weitere Bilder auf der Internetseite des Bayerischen Kulturzentrums der Deutschen aus Russland unter https://bkdr.de/100-jahre-seit-der-ausrufung-der-wolgadeutschen-sowjetrepublik/
Text: BKDR